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Haus Nr. analog Dorfskizze

Name

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Gasthof Bonin (Skibbe)

Das Bahnhofshotel Walter Bonin, ca. 1926

Erbaut von Bernhard Skibbe in den Jahren 1912-13. 1924 ging der Gasthof von Sohn Max Skibbe in die Hände der Familie Bonin über, die bis zur Vertreibung 1945 den Gasthof bewirtschafteten. Hier fanden auch die bäuerlichen Erntefeste ihren Ausklang.

Nach 1945 wurde aus dem Gasthof ein polnischer Konsumladen. Der Saal wurde vorübergehend als Schulraum genutzt. Im Sommer 1980 stand nur noch der Tanzsaal, die übrigen Teile waren bis auf die Kellerdecke abgebrochen.

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W. Pigorsch überliefert uns in der Pommerschen Zeitung 1970 unter dem Titel “Vietkower Geschichten” folgende Episode aus dem Gasthaus, das damals noch von Familie Skibbe bewirtschaftet wurde. Das Ganze hat sich somit vor 1924 zugetragen:

Die Brüder Hildebrandt aus Alt-Gutzmerow, Söhne von Ferdinand Hildebrandt, Ferdinand, der Älteste, Willi (Knurri) und Adolf waren weithin bekannt als eiserne Trinker und sie waren auch auf den Tanzsälen als Schläger bekannt, denen sich niemand in den Weg zu stellen wagte. Ferdinand war ein Riese von einem Kerl, mit Bärenkräften. Ich habe einmal gesehen, wie sich Ferdinand beim Kartenspiel von der Wirtin eine Stiege rohe Eier (20 Stück) und einen Kasten Bier von 25 Flaschen kommen ließ und alles während des zweistündigen Spiels verputzte!

Wenn sie schwach bei Kasse waren, waren sie im allgemeinen zahm. Wehe aber, wenn sie Geld hatten und sie gingen in ein Nachbardorf zum Tanzen! Einmal hatten sie in Vietkow innerhalb von 10 Minuten den ganzen Saal leergeräumt!

Nun war bei Skibbe in Wendisch-Silkow ein Tanzfest vom Gesangverein. Zu schon später Stunde tauchten plötzlich die Gebrüder Hildebrandt auf. Nichts Gutes ahnend, lief der Wirt zum Telefon und rief den Gendarmen an, er möge doch sofort herkommen, hier scheine sich etwas zusammenzubrauen! Der Gendarm freute sich, diese Brüder endlich mal auf frischer Tat fassen zu können! Da hatte er schon lange drauf gewartet!

Als er nach etwa 10 Minuten den Saal betrat, war auch die Schlägerei schon in vollem Gange! Er steuerte also Ferdinand, den “Boß” an und stellte ihn zur Rede. Es ging nun alles sehr schnell und niemand von den 28 Zeugen später vor Gericht, konnte sich an etwas Genaues erinnern. Auf jeden Fall lag Ferdinand plötzlich auf dem Boden und der Gendarm kniete über ihm. Auf den Gedanken, daß sich Ferdinand absichtlich auf den Boden geworfen hatte und den Wachtmeister mitriß und ihn so festhielt, kam niemand. Jedenfalls fing nun Ferdinand an zu schreien und nach seinen Brüdern um Hilfe zu rufen.

“Willi, Adolf koamt rasch un helpt mie! Dei Hund wercht mie aff!” (Der Hund erwürgt mich).

Die beiden Brüder waren auch schon da und droschen auf den Wachtmeister ein.

“Loat em los! Loat em sofort los!”

Der Wachtmeister bezog fürchterliche Prügel, indem ihn Ferdinand von unter her festhielt!

Nach der Schlacht jedenfalls schrieb der Gendarm die Adressen von 28 Augenzeugen auf, die dann später vor Gericht aussagen sollten. Jetzt endlich, sollten die Brüder einen ordentlichen Denkzettel bekommen! Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt usw.

Der Gerichtstag kam heran. Die 28 Zeugen und noch eine ganze Menge Neugieriger fuhren nach Stolp zur Verhandlung.

Nachdem die Anklageschrift vorgelesen worden war, sollte sich Ferdinand zuerst dazu äußern.

“Ja, Herr Richter, also, das war so: Der Wachtmeister hat mir zuerst eine geschmiert, daß ich umfiel! Dann kniete er mir auf die Brust und würgte mich mit beiden Händen am Hals, daß ich keine Luft mehr kriegen konnte! Dann habe ich meine Brüder zu Hilfe gerufen. Die wollten ihn dann zuerst wegreißen aber als er mich nicht loslassen wollte, haben sie ihn etwas geschlagen, weil sie nicht wollten, daß er mich totmacht!”

“Aber Herr Hildebrandt”, meinte der Richter, “wenn ich Sie mir so ansehe, ein Riese mit Bärenkräften und dann den Wachtmeister, der doch gegen sie bloß eine halbe Portion darstellt, dann fällt es mir schwer zu glauben, daß er Sie auf den Boden geworfen und am Hals gewürgt hat!”

“Es ist aber die Wahrheit, Herr Richter!”

“Na ja, wir wollen da mal die Zeugen anhören, was denn die dazu zu sagen haben!”

Die Zeugen marschierten der Reihe nach auf. Ja, genau hätten sie ja nicht gesehen, das ging alles so schnell! Aber sie könnten beschwören, daß der Ferdinand unten gelegen hätte und um Hilfe geschrien hätte. Dann wären auch die beiden Brüder zu Hilfe gekommen. Der Ferdinand hätte immer noch geschrien: “Helpt mie doch, hei wercht mie aff!”

Der Richter schaute den Wachtmeister an als wollte er sagen: Ja, mein Lieber, tut mir leid, aber mit diesen Zeugen kann ich die Brüder auch nicht verurteilen!

Er versuchte es nun doch noch einmal mit dem Ferdinand. “Sagen Sie doch mal, Herr Hildebrandt, haben Sie nicht doch gelogen? Sie wissen doch, daß Sie eine harte Strafe erwartet, wenn sich herausstellt, daß Sie das Gericht angelogen haben! Nun reißen Sie sich doch mal zusammen! Sie wollen mir doch nicht im Ernst erzählen, daß so ein schwaches Kerlchen wie der Wachtmeister Sie umhauen und festhalten kann!”

“Ja, Herr Richter, so ja nicht! Aber der Wachtmeister hat mich im Polizeigriff gehabt und da kam ich nicht los!”

Das Verfahren wurde wegen Mangel an Beweisen eingestellt.

 

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