Unsere Großeltern kannten noch den Kienspan als Lichtquelle im Hause.
Später kam dann die Petroleumlampe. Das Licht wurde besser, aber auch noch nicht gut. Die Lampen, mit Glasschirmen versehen, strahlten eine gewisse Gemütlichkeit aus. Noch heute (Anm.: 1982) findet man
diese Lampen in vielen Häusern vor; das Licht aber spendet jetzt eine Glühbirne. Doch die Menschen waren nicht zufrieden. Sie suchten weiter. So kam es dann, daß eines Tages ein Fachmann des Weges kam, der erkannte,
daß der Lupowfluß Wasser und Gefälle genug hatte, um ein Kraftwerk zu treiben.
Die beiden Güter Schwerinshöhe und Schojow gehörten dem Grafen von Schwerin. Sie wurden getrennt durch den Lupowfluß, der vom Pommerschen Landrücken kam und in die Ostsee mündete. Verbunden wurden beide
Orte durch einen holprigen Damm.
Bald ging es an die Arbeit. Es wurde ein Kanal von drei Kilometer Länge gebaut, welcher das Wasser zu den Turbinen leitete. Am Beginn des Kanals wurde ein Wehr errichtet, durch welches das Wasser
gestaut wurde, so daß man das nötige Gefälle bekam. Viele Menschen haben etwa zwei Jahre gearbeitet, bis das Werk fertig war.
In der damaligen Zeit gab es noch keine Baumaschinen, daher mußte alles mit Schaufel und Schiebkarre bewältigt werden. Man kann die Leistung in etwa mit dem Bau der ägyptischen Pyramiden vergleichen.
Endlich war der Tag der Einweihung gekommen. Viele Menschen hatten sich versammelt, um das Ereignis mitzuerleben.
Graf von Schwerin, als Bauherr des Werkes, stand vor der Marmortafel, an der die Schalthebel befestigt waren. Auf einen Wink des leitenden Ingenieurs wurde der Hebel betätigt. Das Wasser schoß durch die
Rohre zu den etwa 10 m tiefer gelegenen Turbinen, die sich nun zu drehen begannen, schneller und immer schneller, und plötzlich ging das Licht an. Ein frohes Raunen ging durch die Menge, das sich zu einem brausenden
Jubel verstärkte.
In Schwerinshöhe, Schojow und Umgebung war es hell geworden. Das alles geschah im Jahre 1908.
Die Wasser des Lupowflusses liefen und die Räder drehten sich. Die Stuben waren hell und die Menschen waren froh. Sie waren auch ein bißchen stolz auf ihr Kraftwerk.
So gingen die Jahre hin. Es war eine glückliche Zeit. Dann aber kam der Krieg, und mit ihm im März 1945 die Russen. Die in Jahrhunderten gewachsene Dorfgemeinschaft wurde brutal zerstört.
Eines Tages wurden alle im Dorf lebenden Menschen zusammengetrieben, um auf Befehl der Sieger die Zentrale zu demontieren. Jeden Morgen kamen die Menschen, bewacht von Russen, um die Maschinen
auszubauen.
Die Wummelsche Sägemühle wurde abgebaut. Aus den Brettern wurden Kisten gezimmert, in die die zerlegten Teile verpackt wurden. Solange sich die Maschinen in kleine Teile zerlegen ließen, ging das
Verladen auf den Wagen noch. Doch die größeren Teile machten Schwierigkeiten. Mit Stricken, die an den Kisten befestigt waren, welche auf Rollen standen, wurde das Ganze mit viel Geschrei und Hauruck Zentimeter für
Zentimeter vorwärts bewegt, bis es endlich auf dem Wagen stand.
Dann aber kam die große Riemenscheibe vom Dieselmotor, die man bis zuletzt gelassen hatte. Es war das größte Problem. Dieses große Rad ließ sich nur in zwei Teile zerlegen. Jedes Teil wog so an die 50
Zentner. Aber auch das haben wir mit viel Geschrei auf den Wagen gebracht. Doch nun kam das Schlimmste. Von der Zentrale bis zur festen Straße führte ein 1 km langer Sandweg. Ein Bulldog war vorgespannt, und an
jeder Seite Leute mit Stricken über der Schulter, zum Ziehen bereit - wie die Wolgaschiffer. So ging es dann los.
Wir kamen etwa 100 m voran, da sackte das Vorderrad ein. Mit viel Mühen, Winden und Hebeln haben wir den Wagen angehoben und Bretter untergelegt. So ging es nun den Sandweg entlang. Wie oft wir versackt
sind, ich weiß es nicht mehr.
Wir waren etwa 50 m von der Straße entfernt, da sackte der Wagen mit den beiden rechten Rädern ein. Das eine Teil der Riemenscheibe rutschte von der Wagenfläche und blieb auf einem angrenzenden Acker
liegen. Der russische Kommandant warf die Arme in die Luft, stieß einen Fluch aus und ließ uns nach Hause gehen. Es fing schon an zu dunkeln, da dröhnten Kolbenschläge an unsere Haustür. Vor mir stand ein russischer
Soldat, faßte ich an die Schulter und zog mich fort. Wir gingen zu der Stelle, an der das halbe Rad auf dem Acker lag. Mit vielen Gesten und Flüchen machte er mir klar, daß ich hier die Nacht Wache stehen sollte. Er
selbst ging in eines der nahegelegenen Häuser, um zu schlafen.
So bin ich nun die ganze Nacht um den zerbrochenen Wagen und das halbe Rad gewandert.
Ich habe viel darüber nachgedacht, warum ich Posten stehen mußte.
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