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Wie oft hat man schon den Satz gehört „Das war nun wohl das letzte Mal, dass wir nach Pommern gefahren sind…“ Und immer wieder kommt es dann doch anders… So auch beim Dorftreffen 2005 in
Hann. Münden, als der Wunsch geäußert wurde, 2006 wieder gemeinsam nach Pommern zu reisen.
So machten sich denn 29 Personen auf diese Reise, die uns vom 18.-24.06.2006 nach Leba führte. Wir übernachteten im schon bekannten „Hotel Wodnik“, das ja nur ein paar Meter vom schönen
Strand entfernt liegt. Auch unsere Reiseleiterin war uns bestens bekannt – Beata, die uns schon 2002 hervorragend betreut hatte und auch dieses Mal wieder alles für uns gab.
Der Himmel war uns ebenfalls gewogen, denn noch eine Woche vor unserer Reise hatte es in Strömen geregnet, wir jedoch konnten fast immer blauen Himmel und Sonnenschein genießen.
Der erste Tag nach unserer Ankunft fĂĽhrte uns gleich nach Silkow, Vietkow und Virchenzin. Unterwegs setzten wir Lucie in Neu-Gutzmerow ab, die ihr
Elternhaus und die nun dort wohnende Familie besuchte. In Silkow gedachten wir in der Kirche unserer Verstorbenen und machten anschließend einen kleinen Rundgang durch das Dorf. Einige Häuser
sind nun neu eingedeckt, auch Neubauten haben wir gesehen.
Gabbeys besuchten ihr Elternhaus und wurden wieder sehr herzlich von den heutigen Besitzern empfangen, mit denen sie den ganzen Tag verbrachten. Auch Friedel
blieb den Tag über in Silkow und Edula fuhr weiter nach Groß Garde, wo sie einen Teil ihre Kindheit verlebt hatte, während sich die anderen Teilnehmer auf den Weg nach
Vietkow und Virchenzin machten. Vor der Abfahrt hatten wir noch ein nettes Erlebnis: auf dem Schulhof vor der Kirche betrachteten uns einige Kinder neugierig. Reinhold, der etwas Polnisch spricht, stimmte das Lied
„Bruder Jakob“ auf Polnisch an und alle Kinder sangen mit. Und dann gaben sie uns ein Ständchen auf Deutsch. So hörten wir „Oh Tannenbaum“, woraufhin sich Reinhold mit „Stille Nacht, heilige Nacht“ auf Polnisch revanchierte – das alles
mitten im Juni.
In Vietkow spazierten wir vom Oberdorf durch’s Unterdorf Richtung Virchenzin. Marie-Luise zeigte uns das Haus, in dem sie geboren wurde. Viel steht nicht mehr in Vietkow, man
kann sich kaum vorstellen, dass dort einmal fast 300 Menschen wohnten und ca. 80 Häuser standen - heute leben nur noch ca. 70 Menschen im Dorf. Anders sieht es
in Virchenzin aus, das wir anschließend besuchten. Dort sind zwar auch etliche Häuser verschwunden, aber das Dorf wirkt dennoch geschlossen. Vieles wurde uns dort
von Joachim erklärt, der aus Virchenzin stammt. So besuchten wir auch den ehemaligen Friedhof, auf dem nur noch ein Grabstein vorhanden war. Den Weg dorthin zeigte uns freundlicherweise ein Mann mittleren Alters, der
wohl mitbekommen hatte, dass wir über den Friedhof sprachen und nachdachten, wie wir ohne über die Äcker laufen zu müssen dorthin kämen. Er ging auf uns zu,
führte uns durch das Dorf und zeigte uns den Feldweg. Auch eine Frau kam auf unsere Gruppe zu, vor deren Haus unser Bus parkte. Sie erklärte unter Tränen, sie
käme aus der Ukraine und könne sehr gut verstehen, dass Menschen sich ihrer Heimat verbunden fühlen und sie besuchen. Schön ist es, auf Verständnis zu treffen, man freut sich und ist dankbar dafür.
Auf dem Rückweg nach Leba machten wir Halt in Glowitz. Rudnicks nutzten die Gelegenheit, um ihr Elternhaus zu sehen während wir uns auf den Weg zur Kirche machten. Dort trafen wir auf einen sehr netten Pfarrer, der uns spontan die
Kirche erklärte und auch darauf hinwies, dass er mit den Protestanten gute Kontakte pflege. So käme einmal im Monat der evangelische Pastor aus Stolp nach Glowitz. Wir
bekamen auch erläutert, dass die Glowitzer Kirche im Umkreis von ca. 300 km die einzige Kirche sei, in der noch die Empore erhalten blieb. Zuletzt wurden wir noch in die Sakristei und auf die Empore
geführt, von der aus man einen direkten Blick auf die alten Kirchenfenster mit den Wappen der ehemals dort ansässigen Adelsgeschlechter werfen konnte. Sehr nett war das vom Glowitzer Pfarrer.
Nach diesem ersten sehr erlebnisreichen Tag fĂĽhrte uns unser Weg am zweiten Tag auf die Halbinsel Hela. Auf der Fahrt ĂĽber Zarnowitz machten wir Halt in Krockow und besuchten das dortige
Museum und Schloss, das heute die „Stiftung Europäische Begegnung. Kaschubisches Kulturzentrum Krokowa“ beherbergt.
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Gegründet wurde diese Stiftung 1990, ihr Hauptzweck ist die deutsch-polnische Versöhnung und Zusammenarbeit, um zur sozio-kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der Nordkaschubei beizutragen, wie es im
Prospekt heißt. Entlang der Küste ging es weiter bis nach Großendorf (Wladyslawowo), dem „Eingangstor“ auf die Halbinsel Hela. Herrlich war der Blick – links das offene
Meer, rechts die Danziger Bucht. Hier sind es z.T. nur 500 m, die Meer und Bucht voneinander trennen. 38 km Strand und Kiefern. Viele Surfer versuchten ihr GlĂĽck im
Putziger Wiek, anscheinend gibt es dort gute Winde. Quirrlig geht es dort zu, die Orte entwickeln sich zu gut besuchten Urlaubszentren mit allem, was dazu gehört.
Auch das Städtchen Hela, ganz am Ende der Halbinsel, macht einen lebhaften Eindruck. Restaurants und Geschäfte entlang der Straße, wo vormals nur Fischer zu Hause waren. Nicht weit ist es zum herrlich weißen
Strand, der zum Baden geradezu auffordert.
Den dritten Tag verbrachten wir in Schmolsin, Klucken und Garde. Immer wieder schön ist es, die Schmolsiner Kirche mit ihrer interessanten Geschichte zu besuchen.
Ein Aufstieg auf den Revekol fiel leider buchstäblich ins Wasser, auf halbem Wege überraschte uns ein Regenschauer, der Aussichtsturm wurde wegen Unwetterwarnung geschlossen. Ein paar Stunden später
jedoch schien die Sonne wieder, und so konnte Helga aus Berlin, deren Knop-Vorfahren aus Holzkathen stammten, den Wohnort ihrer Vorfahren auf der Fahrt nach Klucken das erste Mal sehen – und das auch noch im
Sonnenschein. In Klucken besuchten wir das Museum, das ständig ergänzt wird. Auch hier wird einiges gebaut, der Ort entwickelt sich langsam, wohl auch durch das Museum bedingt, das ja viele Besucher anzieht. Hier trafen wir auch auf einige Garder, die in Rowe
Urlaub machten. „Aal satt“ gab es anschließend in Groß Garde in der dortigen Gastwirtschaft, dem vormaligen Haus von Edulas Großeltern. Direkt aus dem Garder See und frisch geräuchert von Janinas Mann, der
dort Fischer ist. Selbst denjenigen, die sich ansonsten nicht als Aalfreunde bezeichnen, schmeckte es ausgezeichnet. Kein Stück blieb übrig, 8 kg Räucheraal hatten wir am Ende verputzt. Und da Fisch schwimmen
muss, gab es anschließend im Bus noch ein Verdauungsschnäpschen, spendiert von unseren mitreisenden Virchenzinern.
Am vierten Tag unserer Reise ging es nach Lauenburg. Auch zwei Lauenburger gehörten zu unserer Gruppe, und wie es der Zufall so wollte, parkte unser Bus direkt vor dem Elternhaus einer Mitreisenden. In Lauenburg bummelten wir
durch die Fußgängerzone mit vielen Geschäften. In dieser Straßenzeile gibt es noch etliche schöne alte Bauten, so dass man sich gut vorstellen kann, wie es vor der
Zerstörung dort ausgesehen hat. Nachmittags erklommen wir die Lonzke-Düne.
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Immer wieder ist es ein Erlebnis, den Blick von dort oben über die See und den Lebasee schweifen zu lassen. Was für eine schöne Gegend! Mit diesem Bild im Herzen verbrachten wir den letzten
Abend in Leba, bevor wir uns am nächsten Tag Richtung Stettin aufmachten. Noch ein letzter Spaziergang am Meer, noch einmal den Sonnenuntergang betrachten und das Rauschen der Wellen hören.
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Am nächsten Morgen dann Abschied von Leba. Auf der Fahrt nach Stettin machten wir Halt in Kolberg und Cammin, Orte, die sonst leider oft „auf der Strecke bleiben“. Dabei sind sie allemal einen Besuch wert. Besonders der Mariendom und das Rathaus von
Kolberg, das von Schinkel stammt, sind sehr beeindruckend.
Cammin, der alte Sitz des gleichnamigen Bistums, von dem aus auch die Christianisierung der Pommern ausging, liegt direkt am Haff. Überwältigend ist es, den Dom zu betreten. Dort
findet man noch die alten Deckenfresken, denn der Dom ĂĽberstand den Krieg unbeschadet. Und ein Bild springt einem ins Auge, das man doch irgendwo schon einmal
gesehen hat… Das Altarbild der Schmolsiner Kirche! Dieses hatte Cordula von Bandemer 1874 nach „Ecce Homo“ von Händel gemalt. Und eine Variante, oder
vielleicht gar das Original von Händel, ist im Camminer Dom zu bewundern.
Die letzte Nacht im Pommern verbrachten wir im „Hotel Neptun“ in Stettin. Vorher besichtigten wir noch die Hakenterrasse, von der aus
man einen herrlichen Blick über die Oder und das Land hat. Einen „Stadtrundblick“ besonderer Art verdanken wir unserer Reiseleiterin Beata, die uns bis nach
Stettin begleitet hatte. Sie führte uns zu einem Restaurant unweit des Hotels, das im 22. Stockwerk eines neuen Gebäudes liegt und rundum verglast ist. Von dort oben
aus hat man einen grandiosen Blick ĂĽber die ganze Stadt, einfach umwerfend!
Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen von Pommern und von unserer netten gemischten Truppe aus Silkowern, Vietkowern, Gutzmerowern, Virchenzinern, Gardern, Glowitzern und Lauenburgern.
Schnell waren die Tage vergangen, viel zu schnell. Und so mancher sprach den Satz: „Das war nun wohl das letzte Mal, dass wir nach Pommern gefahren sind…“ - Wetten, dass….?!
Simone Wenzl-Musch, Fotos von Martin VoĂź
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