Bräuche

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Der Silvesterbär

von Helmut Pupp

 

Einen Silvesterbären, wie er in der “Pommerschen Zeitung” beschrieben wurde, hat es auch bei uns gegeben, als noch die Güter Schwerinshöhe und Schojow zusammen gehörten.

Schon im Dezember taten sich drei oder vier junge Männer zusammen für den Silvesterbären. Wochenlang wurde an den Strohseilen gearbeitet, die möglichst gleichmäßig und nicht zu dick zusammengedreht werden mußten.

Ein Mann stellte dann den Bären und wurde mit diesen Strohseilen umwickelt. Zunächst zog er dicke Wintersachen und Stiefel an. Dann wurde er, - angefangen an den Füßen, - bis zum Kopf umwickelt. Auch die Arme kamen dran. Zuletzt bekam er noch eine Kette um den Hals gelegt. Der “arme Deuwel” mußte schon was vertragen, denn nun ging es durch den Schnee von einem Haus zum andern.

Erst machten sie in Schojow die Runde, dann ging es weiter nach Wendisch-Silkow, wie es damals noch hieß. Begleitet wurde der Bär von dem Bärenführer, der ihn an der schweren Halskette herumführte und von drei Musikanten, die mit Geige, Ziehharmonika und einer selbstgebastelten Teufelsgeige eine wilde Musik machten und den Tanzbären vor der Haustür oder auch mal in der Stube herumtanzen ließen. Die Gruppe zog erst dann weiter, wenn es einen Korn oder sonst etwas zu trinken gegeben hatte. Auch nahm die Gruppe gern etwas zu essen oder kleine Geschenke an.

                

Beispiel eines Neujahrsbären aus Budow, entnommen aus Stolper Heimatblatt, 1959

Die Stimmung stieg natürlich von Haus zu Haus, und es ging immer lauter und wilder zu. Die kleinen Mädchen versteckten sich in den hintersten Ecken und waren froh, wenn der Spuk vorbei war.

Einmal passierte auch fast ein Unglück, - davon hat mir mein Vater erzählt:

Nach der ausgiebigen Runde durch die Schojower Häuser waren schon alle recht angeheitert und hatten eigentlich schon zu viel getrunken. Da kamen sie auf den Gedanken, nun auch noch zu später Stunde nach Wendisch-Silkow zu ziehen. Elektrische Taschenlampen gab es noch nicht, und die kalte Winternacht war finster. Also mußte man sich mit Handlaternen behelfen, in denen offene Lichter flackerten.

Sei es nun, daß jemand mit so einer Laterne dem Bären zu nahe gekommen war, sei es, daß jemand mit einem Streichholz an den strohverkleideten Tanzbär geriet, - auf einmal stand der Bär in hellen Flammen. Das war so zwischen Lupow- und der Kanalbrücke, dicht bei Schojow. Aber einige Begleiter, die noch nebenher liefen, haben den Bären so lange im Schnee herumgewälzt, bis die Flammen erloschen waren.

Das war noch einmal gut gegangen, und nun hatte an diesem Abend auch niemand mehr Lust, weiter zu machen, und man kehrte nach Schojow um.

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Die drei Weisen aus dem Morgenland

von Helmut Pupp

 

Ein anderer alter Volksbrauch waren die drei Weisen aus dem Morgenland, die am Dreikönigstag durch’s Dorf zogen.

Drei junge Leute machten sich die Gesichter mit Ruß schwarz und zogen lange weiße Nachthemden an. Zu der Gruppe gehörte ein besonderes selbstgebasteltes Instrument, das aus einem alten Heringsfaß bestand. Die beiden Böden waren herausgeschlagen und die Öffnung mit gegerbten Schaffellen bespannt. Am Ende wurden 60-70 cm lange Haare vom Pferdeschwanz durch ein Loch gezogen.

Jedenfalls gab das einen ganz eigenartigen, wunderbaren Klang. Dazu sangen die drei Männer bestimmte Verse, mit denen, - ähnlich wie bei dem Beten der Erntekrone, - alle Familienmitglieder mit Extraversen und Wünschen bedacht wurden.

Die ganzen Verse habe ich nicht mehr im Kopf, ich weiß nur noch den Anfang:

“Wir sind die drei Weisen aus dem Morgenland, die Sonne hat uns schwarz gebrannt...!

und

“Wir wünschen dem Herrn einen gedeckten Tisch, auf allen vier Ecken einen gebratenen Fisch, in der Mitte eine Flasche Wein, damit er mög’ immer recht lustig sein.”

War der Bauer nicht beliebt oder gar geizig, gab es auch den Vers:

“Wir wünschen dem Herrn zwei große Schlurren, damit die Schweine hinter ihm herknurren.”

Auch hier war es üblich, daß die drei Weisen mit Gebäck, Geldgeschenken oder einem Trunk bedacht wurden.

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Die schwarze Hochzeit

Aus der Erinnerung aufgeschrieben im Jahre 1982 von Helene Krause

Für Leute aus der Heimat ist der Ausdruck “schwarze Hochzeit” ja ein Begriff, dabei denkt man an die Torfgewinnung.

Früher hatte fast jeder Bauer sein eigenes Moor, und aus dem “schwarzen Gold” wurde meistens Streichtorf hergestelt. Den Vorgang kann ich leider nicht beschreiben, weiß aber wohl, daß es eine schwere Arbeit war.

Als der Vorrat erschöpft war, wurde auch ein neuer Weg gefunden. Das Gut Selesen verfügte über eine riesige Moorfläche und war somit Lieferant für unser Heizmaterial. Je nach Bedarf konnte man eine Parzelle käuflich erwerben, die Arbeit wurde dann gemeinschaftlich getan. In der Regel wurden dazu elf Personen benötigt, - bunt gemischt - Männer und Frauen. Anfang Mai begann  das lustige Treiben, und die Reihenfolge war auch geregelt: Wilhelm Klick, Willi Bonnke, Otto Krause, Hermann Grönke, Wilhelm Manzeck und wir, - Karl Krause machten in dieser Gruppe den Abschluß.

Die Arbeit nahm den ganzen Tag in Anspruch, da mußte auch für das leibliche Wohl vorgesorgt werden. Der beliebte Reispudding mit Backobst war immer die Mittagsmahlzeit, außerdem Brot, Butter, Käse, Eier, Schinken und Dauerwurst. Bei uns gab es auch noch zusätzlich “saure Aale”, und die waren ein besonderer Leckerbissen.

Vesperpause beim Torfmachen in Selesen. Von links nach rechts Karl Krause, Paul Judaschke, Otto Krause, Ernst und Lene Krause, Frieda Marz und halb verdeckt Willi Bonke.

Der Torftag begann schon sehr früh. Zwischen 3 und 4 Uhr traf man sich zum gemeinsamen Frühstück, und dann gings mit dem Pferdewagen nach Selesen.

Zum Abend, so gegen 19 Uhr waren die Schwerarbeiter wieder zurück. Der Wagen war mit Birkengrün geschmückt, ein guter Tropfen sorgte für Stimmung und Fröhlichkeit. Mit dem Lied: “Im schönsten Wiesengrunde” fuhren sie alljährlich auf unseren Hof rein. Dann gab es ein großes Abendessen: Suppe, Hauptgericht und Nachtisch, - wie bei einer Hochzeit! Anschließend spielte unser Vater die Ziehharmonika und dazu wurde auch noch getanzt.

So lustig waren die Pommern!

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Altenbier

Ein Altenbier war das Vorfest zum Erntefest. Gefeiert wurde dieses Fest nach dem Mähen der gesamten Ernte. Der Altenmann wurde aus Ähren der verschiedenen Kornarten geflochten. Spargelgrün und Blumen verschönerten die Gestalt. Diese wurde vom ersten Mädel auf dem Gut an den Inspektor übergeben, anschließend wurde auf dem Speicher gefeiert und getanzt.

                 Altenbier in Wendisch-Silkow 1936

vordere Reihe: Elisabeth Reetz, Anna Mietzke
2. Reihe: Maria Marzenke, Irene Pupp
3. Reihe: Frieda Lemke, Marta Birr, Wiedergreen, Affolter, Musiker Günter Birr

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Erntefest

aufgezeichnet von Paul Gerhard

Ein Höhepunkt war im Herbst das Erntefest. Bis zur Aufsiedelung des Gutes im Jahre 1937 hatte es noch zwei getrennte Erntefeste gegeben, ein Fest für die Gutsleute, das sich auf dem blank gefegten Kornspeicher im Gutshof abspielte und ein zweites Erntefest für die selbständigen Bauern, Handwerker und alle übrigen Ortsbewohner im Gasthof.

Bauer Karl Krause und seine Ehefrau Elfriede, geb. Marz erzählen, wie dieses Erntefest ablief:

Am Sonnabend nach dem 10. September fand das Erntefest statt, aber schon Wochen vorher mußte alles vorbereitet werden, es wurde Geld gesammelt, die Musik und der Saal rechtzeitig bestellt, der Bauer, dem die Erntekrone zu überreichen war, mußte ausgewählt werden. Eine prächtige Erntekrone wurde geflochten und geschmückt, dazu kam ein Kranz für die Bäuerin. Aber es gab noch andere Arbeiten. Einige Tage vor dem Fest wurden von Frauen und Mädchen viele kleine Anstecksträußchen, bestehend aus Astern, Thymian und Buchsbaum mit silbernen und goldenen Bändern angefertigt, die an die Teilnehmer verkauft wurden. Auch wurde tagelang Kuchen gebacken und alle Vorbereitungen für einen großen Festschmaus getroffen.

Schließlich war es so weit, am Sonnabend um die Mittagszeit fand sich die Musikkapelle bei dem Bauern ein, dem in diesem Jahr die Erntekrone überreicht wurde. Der Hofbesitzer, seine Frau, die Kinder und alle auf dem Hof lebenden Verwandten standen in Festtagskleidung geschniegelt und gebügelt vor dem Hauseingang und erwarteten, daß die Krone mit dem Haferkranz überreicht wurde. Ein junges Mädchen “betete” die Krone mit einem langen Gedicht, bei der der Bauer und seine Angehörigen mit je einem Vers bedacht wurden, zum Beispiel so:

“Gott zum Gruß Ihr Eltern und Kinder
Und auch denen, die diese Krone geweiht,
So ruf ich’s im Namen der Schnitter und Binder,
Die sich hier nahen in Dankbarkeit.
Eins der schönsten Feste im Jahre,
Das Erntefest ist wieder da!
War auch der Himmel oft trübe und grau,
Er wurde doch immer wieder blau.
Wir haben geschnitten und haben gebunden,
Dabei oft Schwierigkeiten überwunden.
Nach einigen schönen heißen Tagen
Wurde die Wagen hochbeladen eingefahren.
Nun möchte ich hier aber nicht länger steh’n,
Sondern an das Wünschen geh’n.
 
Ich wünsche Herrn Masch einen goldenen Wagen,
alle vier Räder mit Silber beschlagen,
damit er kann fahren mit seiner Frau
sich rechts und links sein Land beschau’.
 
Frau Masch wünsche ich ein blauseidenes Kleid,
das möge sie tragen in Freude und Leid,
dazu wünsche ich einen gepolsterten Stuhl,
worauf sie mög’ sitzen und von der Arbeit ausruh’n.
 
Gerda wünsch’ ich einen Puppenwagen,
damit sie ihre Püppchen spazieren kann fahren,
dazu wünsche ich ihr ein Paar neue Schuhe,
damit sie kann laufen sehr fleißig zur Schule.
 
Nun wünsche ich mir und allen Leuten
viele frohe und lustige Stunden für heute.
Herr Masch möge sich nun bequemen
und mir die Erntekrone abnehmen.

In weiteren abgewandelten Versen wurde jedes Familienmitglied bedacht und ihm je nach dem eine schöne Braut, ein Bräutigam, Gesundheit, langes Leben oder viel Gold und Silber gewünscht.

Nach einer guten Bewirtung setzte sich dann der Festzug, - die Musikkapelle voran -, durch die Dorfstraßen in Richtung Gasthof in Bewegung.

Erntefest 1924

Junge Mädchen verkauften an die Teilnehmer und Herumstehenden die erwähnten Sträußchen.

Im Gasthof angekommen, wurde auch dem Gastwirt eine Erntekrone überreicht, die dann noch lange über der Tanzfläche schwebend, den Saal schmückte.

Nun begann das Fest mit Essen, Trinken und Tanzen... Zur Fütterungs- und Melkzeit verschwand der Eine oder Andere, um zu Hause auf dem Hof nach dem Vieh zu sehen, aber das eigentliche Fest ging zügig weiter bis um Mitternacht.

Um 24 Uhr wurde eine Pause eingelegt, die Tanzfläche geräumt und mit schnell aufgestellten Tischen und Stühlen lange Kaffeetafeln gebildet. Den Kuchen brachten die Bauernfrauen mit, während der Kaffee in der Gasthofküche gekocht wurde.

Übrigens war es üblich, daß am Erntefest nur Ortsansässige teilnahmen, keine Auswärtigen! Junge Leute durften allenfalls ihre fest Verlobten mitbringen. Sonst hätte es Klamauk gegeben, wenn etwa junge Burschen aus Gutzmerow oder Zietzen auf der Tanzfläche erschienen wären, um mit den Schwerinshöher Mädchen zu tanzen (siehe Beispiel :-). Bei den sonstigen Veranstaltungen war das schon eher möglich, wenn es auch ratsam war, sich im fremden Revier vorsichtig zu bewegen.

Nachdem man sich bei Kaffee und Kuchen gestärkt und aufgemuntert hatte, ging es nun mit dem Tazen erst richtig los. Tische und Stühle wurden beiseite geräumt, die Tanzfläche mit zerschnippelten Wachskerzen bestreut, damit der Fußboden richtig glatt wurde und man beim Walzer tanzen auch den nötigen Schwung bekam. So ging das bis zum Sonntag Morgen. Wenn es hell wurde zog man auch noch mit Musik durchs Dorf und bis zur Mühle.

War dann die Arbeit auf dem Hof erledigt und hatte man ein Mittagsschläfchen gemacht, wurde es wieder Zeit zum Gasthof zu gehen, wo dann erst um Mitternacht Schluß war. Das war der Ausklang eines schönen dörflichen Erntefestes in Pommern. Doch das ist nun nur noch Erinnerung!

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