Gutsarbeit

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Helmut Pupp berichtet über die Arbeit auf dem einstigen Gut in Wendisch-Silkow:

Unser Dorf, unser Ort war geprägt durch ein landwirtschaftliches Leben, früher ein Gutsbetrieb des Grafen von Schwerin, später eine Domäne. Auch Bauernhöfe waren vorhanden, sowie auch handwerkliche Betriebe. Es war ein Ort, an dem es sich gut leben ließ. Wir hatten vieles, was andere nicht hatten: Bahnverbindung, Hauptstraße, Elektrowerk, Geschäfte, Gastwirtschaft, Lebensmittelgeschäfte - Klick und Polke, Kirche, Schule, Wasseranlagen, Weberei, Schmiede, Fleischerei, Stellmacherei, Tischlerei, Holzsägewerk, Bäckerei, Schneidereien und viele Vereine, die auch zur Belebung des Ortes beitrugen. Der größte Anteil am Ortsleben ging wohl vom Gut und dessen Arbeiter aus. Immerhin waren 24-27 Familien auf dem Gutsbetrieb tätig, ohne die Landarbeiter, die von anderen Orten jeden Tag nach Wendisch-Silkow kamen. Man könnte ein ganzes Buch schreiben über das Leben und Treiben.

Unser Ort lag wie auf einer Landzunge umgeben von dem Lupowtal, den Stromwiesen, Seewiesen, dem kleinen Moor - dem Pottdsk und den Kulturwiesen, und mitten im Park der Teich und das Denkmal, früher eine wunderbare Parklandschaft mit gut gepflegten Gehwegen und Blumenanlagen und darin uralte ausländische Bäume, sogar einige Maulbeerbäume standen im Park, die für uns Kinder im Spätsommer immer ein Anziehungspunkt waren - die mehlige Frucht war für uns was ganz Besonderes. Alles wurde vernichtet durch den Gutsverwalter von Schojow, Herrn Affolter, der auch dazu beitrug, dass Wendisch-Silkow in den 30er Jahren an die Pommersche Siedlungsgesellschaft verkauft und später versiedelt wurde. Das Gut wurde aufgeteilt und es entstanden neue Bauernhöfe und Kleinbauern erhielten etwas mehr Land dazu, so dass der Wohlstand wuchs.

Nach dem Umzug des jungen Grafen von Wendisch-Silkow nach Schojow in das Schloss änderte sich auf dem Gut vieles. In Silkow wurde nun ein Gutsverwalter eingesetzt, doch die Zahl der Arbeiterfamilien blieb die gleiche. Auch mein Vater wurde als Kutscher von Schojow nach Wendisch-Silkow versetzt; wir wohnten in dem neuen “Viertopp” an der Dorfstraße bis zur Versiedelung des Gutes. Da mein Vater Kutscher war hatte ich die Möglichkeiten, mit meinem Vater unsere Heimat näher kennenzulernen. Auf allen Fahrten, die mein Vater erledigen musste, hatte ich die Möglichkeit mitzufahren. Natürlich, wenn der Gutsverwalter, der Pfarrer oder Vorstände von Vereinen wegfahren mussten, dann ging das nicht.

Nach dem Umzug des Grafen nach Schojow wurde ein Gutsverwalter in Silkow eingesetzt, der in das Gutshaus einzog. Ich will nun versuchen, die Namen der Verwalter, der Inspektoren, Hofmeister und der Familien, die auf dem Gut arbeiteten, aufzuschreiben:

Der erste Gutsverwalter auf dem Hof war Herr Halfpap, der Großvater von Georg und Friedrich Grube. Herr Halfpap zog später weg. Es kam dann Herr Knebel mit seiner Familie. Nach dem Verkauf des Gutes zog Familie Knebel weg, es folgte Herr Wiedergreen, der sich zwei Landwirtschaftslehrlinge mitbrachte, die Gebrüder Jablonsky. Der Hofmeister war Herr Horn, er lebte mit seiner Schwester im Hause der Gärtnerei Lüdtke. Nach Herrn Horn kam Herr Leo Voss als Hofmeister. Im Hause der Familie Horn trafen wir Kinder uns zum Geschichtenerzählen, ich glaube, die hätten ein ganzes Buch schreiben können. Wenn wir dann nach Hause gingen und der Mond am Himmel schien, da hatten wir oft Angst nach Hause zu gehen.

Ich möchte nun von den einzelnen Familien und deren Tätigkeiten erzählen, denn es gab auch hier verschiedene Tätigkeiten, die eine große Rolle spielten:

1. Familie Karl Kniebel, der Melkermeister war, mit vier Helfern aus der Familie. Es waren 80 Stück Milchkühe auf dem Gut, die Milch wurde nach Stolp in die Molkerei geliefert, wo der Käse “Stolper Jungchen” erzeugt wurde. Dieser Käse war weltweit bekannt und kann nicht nachgemacht werden. Der Erfinder nahm das Rezept mit in sein Grab.

2. Schweinemeister Paul Gabbey und Gehilfe Franz Pastubbe. Auf dem Hof waren über 200 Mastschweine, Weideschweine-Sauen für die Nachzucht. Es waren noch einige Gehilfen tätig.

3. Schäfermeister war Herr Gabbey, Vater von oben genannten Paul Gabbey. Auf dem Gut waren fast 400 Schafe.

4. Kuhhirte für die Deputanten-Kühe war Herr Albrecht, Großvater von Fam. Marzenke, Paul, Maria, August und Erna Marzenke.

5. Schweinehirt für Weideschweine, August Lemke, Vater von Mathilde und Frieda Lemke [Anm.: und Großvater von Heinz Musch] Sein Hund hieß “Lauf”.

6. Kutscher war mein Vater Heinrich Pupp.

7. Erster Vorsitzender der Landarbeitergewerkschaft war Wilhelm Musch [Anm.: Großvater von Heinz Musch]. Herr Musch hat viel Gutes für die Arbeiter getan, er war auch Vorarbeiter. Sein Wissen und seine Kenntnisse trugen dazu bei, den Arbeitern einen Wohlstand zu erstreiten von dem Besitzer. Herr Musch war auch dabei, als das große Wirtschaftsgebäude abbrannte, Kuhstall, Pferdestall, Schweinestall mit Futterräumen. Herr Musch und die Mädels mussten für die Pferde Häcksel schneiden. Da die Maschine oben im 2. Stock stand und auch der E-Motor, die ganze Umgebung von Strohspinngeweben umgeben war, gab es einen Kurzschluss und schon stand alles in Flammen. Rette sich wer kann. Die Leute von oben runter, da sich alles auf den obersten Stockwerken befand. Obwohl unter dem Brandplatz die Wasserversorgungsanlage ganz modern stand, aber keine Schläuche von dort ausgingen, wurde alles ein Raub der Flammen. Diese Wasserpumpstation versorgte sämtliche Wirtschaftsgebäude mit fließendem Wasser, auch das Gutshaus. Der Brand hatte den ganzen Dachstuhl vernichtet, doch die Grundmauern blieben bestehen, da das ganze Gebäude aus Granitsteinen gebaut worden war. Der Aufbau nahm etliche Zeit in Anspruch. Das ganze Holz, das zum Aufbau benötigt wurde, wurde im Silkower Wald und Park geschlagen. Nach dem Umbau wurde der Dachstuhl um 2 Meter erhöht, Ziegelsteine zur Dachabdeckung verwendet. Die ganze Decke in den Stallungen wurde mit Eisenträgern, Belüftungsanlage und Stahlbeton gegossen, so dass kein Feuer dieses Gebäude jemals mehr vernichten konnte. Bei meinem ersten Besuch mit Georg Grube 1988 standen wir fassungslos und suchten nach dem, was wir konnten. Nur drei Fenstereinfassungen waren übrig geblieben. Auch dieses Bauwerk und das Gutshaus, das auch aus Granitsteinen gebaut war, waren dem Boden gleich gemacht. Darum bleibt die Heimat so in meiner Erinnerung, wie ich dort lebte und ich sie lieben gelernt habe.

Das Gut besaß auch eine große Gärtnerei, der Pächter der Gärtnerei war Herr Karl Lüdtke. Herr Lüdtke war ein guter Gärtner, er produzierte alles, was auf dem Markt in Stolp angeboten werden konnte: von Blumen, Gemüse, Erdbeeren, sämtlichen Sorten Kohl bis zum Spargel. Die Spargelfläche hatte eine Größe von zwei Morgen. Jeden Mittwoch und Samstag war in der Stadt Stolp ein großer Markttag. Auch hier war Herr Lüdtke vertreten. An diesen zwei Tagen ging es schon um 6.oo Uhr früh los. Mein Vater fuhr mit Herrn Lüdtke und Frau Lüdtke nach Stolp. Am Tag vor dem Markt wurde ein großer Gemüsewagen beladen, der mit Gummirädern versehen war und den man als Verkaufsstand schnell umbauen konnte. Spät am Abend kehrten alle drei dann müde nach Hause. Später kaufte Herr Lüdtke sich ein kleines Transportauto. Nach der Versiedelung machte Herr Lüdtke sich selbständig. Oberhalb des Bahnhofs bekam er gutes Land, größer als die alte Gärtnerei. Auf der neuen Gärtnerei baute Herr Lüdtke seine Gebäude auf, die heute noch stehen. Die alte Gärtnerei blieb Eigentum der Gräfin von Schwerin. Herr Lüdtke pachtete die alte Gärtnerei von der Gräfin von Schwerin. Oberhalb der neuen Gärtnerei war eine Quelle vorhanden, die nie aufhörte, Wasser zu sprudeln. Man nannte diesen Platz “der Hiedwak”, warum, weiß ich nicht. Es war auf der Höhe vom “Sitz-Stuhl” auch ein markanter Punkt in unserem Ort. Für uns Burschen war er ein ganz wichtiger Ausgangspunkt für unser Vergnügen am Sonntagnachmittag, wenn die Feldbahn aus Schojow in Silkow auf dem Bahnhof stand. Auf dieser Feldbahn wurde der gebrannte Kartoffelschnaps von Schojow nach Silkow zum Verkauf-Abliefern gebracht. Was hatten wir ein Vergnügen. Mit Grauen denke ich heute zurück, was da alles hätte passieren können, Verletzte, Tote hätte es geben können, aber es lief immer für uns glücklich ab. - In der Gärtnerei gab es immer viel zu tun, somit waren wir Jugendlichen und ältere Frauen und Männer in Arbeit, auch die Söhne Helmut, Erhard, Peter und Wiedekind mussten immer mithelfen, auch wir Buben aus dem Dorf fanden immer etwas zu arbeiten. Es waren schöne Zeiten, die wir dort hatten. Alles war einmal.

Da auf dem Gut nur Landwirtschaft und Viehwirtschaft betrieben wurde, durfte es an Arbeitskraft nie fehlen. Obwohl alles Handarbeit war, spielten die Pferde eine große Rolle, ohne Pferde ging nichts auf dem Gut. So waren dann auch in Silkow sechs Pferdegespanne auf dem Hof, ohne Reit- und Kutschpferde. Jedes Gespann hatte vier Pferde. Somit waren 24 Pferde auf dem Gut. Jedes  Gespann mit vier Pferden musste ja auch einen Pfleger haben, zum Arbeiten waren genug Männer vorhanden. Als Pfleger hieß es 4.oo Uhr morgens in den Stall, füttern, putzen, aufschirren und um 6.oo Uhr oder 6.3o Uhr fing die Arbeit auf den Feldern an bis 12.oo Uhr. Dann 13.3o Uhr bis 19.oo Uhr. Dann kamst du in den Stall, dann noch einmal zwei Stunden füttern. Ein langer Tag für einen Pfleger.

Auch die Gespannführer hatte eine Ordnung. Der erste Gespannführer musste sämtliche Feldarbeitsgänge und sämtliche Maschinen kennen. 1. Gespannführer war Herr Otto Selke, 2. Gespannführer Herr Franz Garwe, 3. Gespannführer Herr August Eichmann, 4. Gespannführer Herr August Birr, 5. Gespannführer Herr Artur Musch, 6. Gespannführer Herr Günther Birr, Sohn vom Glöckner Birr.

Bei den Arbeiterfamilien gab es auch eine Ordnung. Die Ersten  waren die Zugmaschinen für die Arbeitsgänge, mussten beweisen können, dass sie alle Handarbeiten beherrschten und auch das Arbeitstempo festlegen konnten, aber keiner hat sich nach dieser Position gerissen. Streit oder Neid gab es kaum. Erster bei den Männern war Herr Wilhelm Musch, bei den Frauen war es Frl. Lissa Reetz oder Else Klaffke. Diese Mädels banden beim Anmähen des Kornfeldes der neuen Ernte jedem, der das Feld betrat, eine Schleife um den Arm. Diese mussten dann zahlen und das Geld wurde gesammelt für das Altenbier und Erntefest. Auch diese Sitte gibt es heute nicht mehr.

Ich möchte nun versuchen, die Namen der einzelnen Familien aufzuschreiben und wenn es geht, auch die Namen der Kinder, die dazu gehörten. Ich versuche es, so gut es geht. Es sind doch über 60 Jahre, da ich meine Heimat verlassen habe. 1940 ging es in den Krieg, zur Ausbildung zur Flak nach Stettin, Kreckow.

Die Familiennamen:

1. Musch, Wilhelm, . Baute später sein eigenes Haus. Kinder: Theo (heiratete Mathilde Lemke) , Erna, Artur.

2. Selke, Otto. Zog später nach Schojow. Anna, Maria, Lissa, Heinz.

3. Gabbey, Paul. Übernahm später eine Siedlung bei der Kirche. Frieda, Paul, Marie-Luise, Gertrud, Helfried.

4. Birr (Bim-Bam-Birr). War Kriegsinvalide des 1. Weltkrieges. August, Walter, Martha, Willi, Günther, Herbert, Alfred.

5. Birr, Walter. Verheiratet mit Maria Pasch, zwei Kinder

6. Kniebel, Karl. Minna, Ernst, Frieda, Bertha, Anna und zwei weitere Kinder.

7. Eichmann, August. Ehefrau Maria Selke. Geschwister zu August: Ella, Erich.

8. Lemke, August. Mathilde, Frieda.

9. Reetz. Kinder: Erich (war Stellmachermeister auf dem Gut), Lissa, Maria.

10. Pupp, Heinrich, Kutscher auf dem Gut, verheiratet mit Minna Zischke. Irene, Helmut, Gertraud, Horst.

11. Birr, August, Sohn von “Bim-Bam-Birr”. Kinder: Paul, Max,  Luise ?  Zog später fort.

12. Garwe. Drei Kinder

13. Hildebrand, Leo. Werner, Arthur - verheiratet mit Lotte Noffke. Hier wohnte der alte Herr Hildebrand, der Einzige im Ort, der Kaschubisch sprechen und singen konnte. Von der Schule sind wir oft mit Lehrer Falk bei ihm gewesen und haben seinen Erzählungen zugehört, auch seinen Liedern, die er noch sang. Man glaubte, man lebte mit ihm in seiner Jugendzeit. Es waren immer ein paar schöne Stunden dort gewesen.

13. Paeth, Wilhelm. Zog nach Schojow auf’s Gut. Wilhelm, Hermann, Otto, Paul, Arthur, Lena, Frieda.

14. Marzenke, Ehefrau Ida. Kinder: Paul, Maria, August, Frieda. Paul heiratete Frieda Lemke.

15. Fam. Virkus, Schwiegereltern von Franz Pastubbe.

16. Kramp, Otto. Zogen nach Schojow. Sechs Kinder: Heinz, Anna, ??

17. Heratsch, Karl. Schuhmachermeister im Ort, baute später selber. Onkel von Georg Heratsch, der in der Gärtnerei Lüdtke arbeitete, der künstlerisch sehr begabt war (malen, Scherenholzschnitte).

18. Pasch, Otto. (Baute das Haus, wo Schwester Ella ihre Praxis hatte). Kinder: Wilhelm, Otto, Frieda.

19. Schmidtke, Willi. Maurermeister auf dem Gut. Tochter Rita.

20. Geschwister Horn. Wenn es im Winter kalt war, dann gingen wir Kinder am Nachmittag dorthin. In der waren Stube haben sie dann Geschichten aus der Vergangenheit erzählt, Gruselgeschichten. Wenn wir am Abend nach Hause gingen und der Mond am Himmel stand, haben wir dann wirklich Angst gehabt, sahen dann schon überall die komischen Menschen und Tiere über die Straßen und um die Häuser laufen. Gruselig, aber interessant war es schon, dort zu sitzen und zu lauschen.

21. Voss, Leo. War Hofmeister auf dem Gut, verzogen.

22. Nowack. War Schmiedemeister auf dem Gut, wohnten über der Schmiede. Kinder: Dorothea, Gerhard. Onkel zu Heini Nowack. (Hier wurden wir, August Marzenke, Erhard Lüdtke und ich, Helmut Pupp, drei Stunden lang von Herrn Affolter in den Kartoffelkeller gesperrt)

23. Gadde, Ernst, verheiratet mit Anna Selke. Kinder: Heinz, Paul.

24. Süßmann, Otto. Kam aus Gutzmerow und heiratete Lissa Reetz.

25. Fam. Gast. Obermelker auf dem Gut, übernahm den Kuhstall von Fam. Karl Kniebel.

26. Fam. Gnech. Übernahm den Kuhstall von Fam. Gast. Tochter Gertrud heiratete Hans Topel aus dem Ort.

27. Topel, Hans. War Traktorfahrer in Schojow und Wendisch-Silkow.

Das Gut Schojow besaß zwei große Traktoren, die je nach Bedarf auf beiden Gütern eingesetzt wurden. War einer der Traktoren in Silkow im Einsatz, so durfte man schon mitfahren und den Traktor selber lenken, es war schon ein Erlebnis für uns Buben. Sah man aber Herrn Affolter über die Felder reiten, dann war Alarmstufe 1 angesagt, runter vom Traktor und ab ins Dorf oder ab in den Garten von Pastor Käding. So gab es immer ein Erlebnis für uns.

Es war nicht immer der Grundsatz, dass die Arbeiterfamilien nur für einen Gutsherrn arbeiten mussten. Sie hatten die Möglichkeit, dem Arbeitgeber die Kündigung zu geben und sich einen neuen Arbeitgeber zu suchen. Es kamen auch Freiarbeiter und Schnitter auf die Güter. Die Schnitter kamen aus Polen, meistens junge Mädels und Burschen. Sie kamen im Frühjahr und gingen dann im Herbst nach der Kartoffelernte wieder heim. Die Schnitter und Freiarbeiter wurden genauso bezahlt wie Deutsche. Manches junge Mädel fand einen deutschen Freund, es wurde dann geheiratet und das Mädel blieb dann in Deutschland. Diese Leute waren keine Zwangsarbeiter, wie so oft behauptet. Auch die polnischen Kriegsgefangenen wurden nach der Ankunft der französischen Kriegsgefangenen im Arbeitslager freie Landarbeiter. Sie erhielten den gleichen Lohn, Lebensmittelkarten, Kleiderkarten und lebten bei den Bauern. Sie konnten genauso in die Gastwirtschaft gehen, wie wir es taten.

Arbeit auf dem Lande war immer da. Nur hatte die Arbeitswoche 60 Stunden und der Tag 10-12 Stunden, je nach der Erntezeit. Im Herbst kamen dann auch Familien aus der Stadt für die Zeit der Kartoffelernte, meistens drei Wochen auf die Güter. Sie fanden Wohnraum und Küchen zur Versorgung. Da war Hochbetrieb auf den Gütern. Nach Schojow kamen die Leute aus Groß und Klein Garde, sowie aus Stohentin zum Kartoffelsammeln. Um alles zu beschreiben, wie es so ablief, würde die Zeit nicht reichen, aber es wäre interessant. Auch diese Erntezeit “Kartoffeln” machte sich in Silkow auf dem Güterbahnhof bemerkbar. Jeden Tag wurden Kartoffeln in Waggons verladen, die meisten aus Sorchow, Schojow und Silkow. Die wurden eingemietet und später nach Schojow in die Brennerei gebracht zur Verarbeitung von Schnaps und Kartoffelflocken. Die Flocken dienten als Viehfutter, hauptsächlich in der Schweinemästerei, auch wurden die Flocken für die Pferde verwendet.

An jedem Donnerstag in der Woche war Fettvieh-Annahme auf dem Bahnhof, einmal vom Raiffeisenverband und privat. Um 11.3o Uhr rollte der Viehtransportzug von Zezenow,Domröse, Glowitz, Silkow nach Stolp und weiter bis nach Berlin auf den freien Markt. Die Viehwägen waren zweistöckig und das musste gleichzeitig verladen werden, da ging es dann her wie in einem Bienenstock. So etwas kann sich heute kaum einer vorstellen, was in unserer alten Heimat jeden Donnerstag angeliefert wurde. Heute ist das gleich Null.

Im Monat November und Dezember kam dann ein besonderer Waggon zur Aufnahme von Mastgänsen, Enten und Hühnern. Dieser Waggon ging meistens nach Rügenwalde. An diesen Tagen waren dann Herbert Schwinke, August Marzenke und ich auf dem Bahnhof zum Verladen. Anschließend musste alles sauber gemacht werden, und das war auch noch unsere Arbeit, dafür erhielten wir 50 Pfennige bis 1 Mark. Dann waren wir reich und zufrieden. Gut war es immer, wir hatten unsere Freude daran.

Im Ort hatten wir auch einen Lebensmittelladen. Inhaberin war Frau Hulda Polke, eine ältere Dame. Später baute dann Herr Klick an der Chaussee einen größeren Laden, der auch von der gleichen Familie betrieben wurde. Da für zwei Läden im Ort kein Überleben war, machte Frau Polke zu. Schade war es, denn bei der Frau konnten die Tagelöhnerfrauen noch einkaufen, ohne gleich bezahlen zu müssen. Es wurde aufgeschrieben und wenn Geld da war, gingen die Frauen hin und bezahlten die Schulden.

Wir hatten zwei Bäckereien im Ort, die Bäckerei Fürstenberg und die Bäckerei Dumjahn. Beide Bäckereien fuhren mit Pferd und Wagen über die Dörfer, wo sie auch gute Geschäfte machten.

Dann hatten wir eine große Gastwirtschaft am Bahnhof, Eigentümer Herr Walter Bonin. Dort war auch ein großer Tanzsaal und alle Veranstaltungen fanden dort statt. Der frühere Besitzer war Herr Max Skibbe, Vater von Heinz und Ursula Skibbe. Die Familie Skibbe zog dann von Wendisch-Silkow weg.

Im Ort waren noch mehr Handwerker, die ihre Tätigkeiten im Ort ausführten auch auch für andere arbeiteten.

In unserem Ort wurde nicht nur gearbeitet, es wurde auch gefeiert. Folgende Vereine waren bei uns im Ort: Kriegerverein, Gesangsverein, Radfahrverein, Fußballverein Germania Wendisch-Silkow. Diese Vereine hatten ihr Sommerfest und die Winterfeste. Dazu kamen Veranstaltungen von der Kirche, Herrn Pastor Käding, und auch von Herrn Paul Falk, unserem Lehrer. Alle Veranstaltungen wurden gerne besucht.

Auch bei den Arbeitern auf dem Gut gab es Abwechslungen, es wurde nicht nur schwer gearbeitet. Zum Beispiel nach der Bestellung der Felder im Frühjahr gab es einen Tagesausflug nach Groß Garde, von dort mit dem Boot rüber nach Rowe, alles war kostenlos. An einem Sonnabend früh ging es mit den geschmückten Wagen los, vier Pferde vor dem Wagen und auf jedem Wagen ein Mann mit Schifferklavier, es war ein lustiges Treiben. Nicht nur die Arbeiter fuhren mit, sondern die ganze Familie. Am späten Abend ging es dann wieder bei Musik nach Hause.

Dann kam nach der Ernte Altenbier, das wurde auf dem Speicher auf dem Gutshof gefeiert, auch wieder alles frei vom Gutsherrn. Dann kam noch das größte Fest des Jahres, das Erntefest mit Erntekrone und Überreichen der Krone an das Ehepaar des Gutes, anschließend wurde dann wieder auf dem geschmückten Speicher gefeiert. Hier gab es wieder alles frei zu essen, trinken, gefeiert wurde bei Musik bis in den frühen Morgen. Dieses Fest war nur für die Tagelöhner, die Bauern waren nicht dabei.

Dieses war das Leben auf dem Gut Wendisch-Silkow.

aufgeschrieben von Helmut Pupp im September 2004

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