Vietkows Geschichte

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entnommen aus “Ostpommersche Heimat”, 1937

Aus der Geschichte des Dorfes Vietkow - von W. Schiewer

(Als Quellen dienten: Die Ortschronik der Gemeinde Vietkow, Schulchronik und Rezeß)

Der Name unseres Dorfes ist abgeleitet von Witsowo (?) d.h.: Siehe, eine Hütte! Die ersten Bewohner unseres Dorfes waren Bauern, Kossäten und Büdner. Zu Ende des 18. Jahrhunderts existierten in Vietkow mit den Schulzen sieben Bauern, drei Kossäten und fünf Büdner. Sämtliche Bauern und Kossäten waren Leibeigene und vom Kgl. Domänen-Rentamt Schmolsin abhängig. Sie wurden von dort aus mit ihren Höfen belehnt und mußten nach dort auch ihre Pacht und alle sonstigen Abgaben entrichten. Außerdem mußten sie Dienste mit Hand und Spannen machen. Zum Kgl. Domänen-Rentamt Schmolsin gehörten die Vorwerke Rambow und Vorchenzin. Die Bauern und Kossäten waren verpflichtet, die Hand- und Spanndienste hier abzuleisten, und zwar mußten nach Rambow vier Bauern und zwei Kossäten in der Weise, daß ein Bauer wöchentlich vier Tage mit Gespann und einen Tag mit der Hand diente, dagegen ein Kossät sechs Tage mit der Hand. Die übrigen Bauern und Kossäten mußten ihre Hand- und Spanndienste in Virchenzin ableisten.

Jeder Bauer oder Kossät erhielt bei der Übergabe des Hofes einen sogenannten Hofbrief, der folgenden Wortlaut hatte:

“Zu wißen sey jedermänniglich, sonderlich denen daran gelegen, wie daß vom Kgl. Domänen-Rentamte dem Amts-Untertan N.N. ein Bauernhof zu N.N. mit nachstehenden zugestandenen erhaltenen Inventarie nebst lebendiger und todter Hofwehr zum Besitz übergeben wurde und zwar:  1. das Wohnhaus, Scheune und Stallung im guten Stande, 2. an Ansath: 12 Scheffel Roggen, 12 Scheffel Gerste, 12 Scheffel Hafer, 1 Scheffel Buchweizen, 3. an lebendiger Hofwehr: 4 gute Pferde, 2 pflugziehende Ochsen, 2 Kühe, 1 (?), 3 Schweine, 2 Gänse, 2 Hühner, 4. an todter Hofwehr: 2 vollständige Wagen, 2 Pflüge, 2 Schlitten, 1 Axt und ein Beyl, eine Heu- und 2 Mistgabeln, eine Schneidelahde mit Messer und Stahl, eine Holzhacke, zwei Korn- und eine Rohrjeuse, einen Messinglöffel, ein Kornsieb und ein Sack, vier Siehlen, zwei Bracken mit Eisen beschlagen, zwei eiserne Halskoppelringe, eine Fahrleine und drei Zäume und ein Ochsenstück.

Welche er ist im Stande zu unterhalten und nach dessen Ableben es ebenso zu laßen schuldig. Die übrigen Conservations so er bis jetzt erhalten ist in das Dorfs-Quittungsbuch eingeschrieben und ..... (?).Inskünftig wird Besitzer dieses Hofes die zu empfangende Conservation und was ihm ansonsten an Korn und gegeben werden dürfte, durch den Amts(...?)inarius jederzeit in diesen Hofbrief annotieren zu lassen angewiesen und sol er, wenn er zu wirtschaften und die erforderliche Pflicht leistet, bey seinem Hof auf seine Nachkommen geschützet werden.

Urkundlich ist dieser Hofbrief von uns eigenhändig unterschrieben und Sub Sigilio ausgefertigt und davon ein Exemplar zur Amtsregistratur genommen worden. Amt Schmolsin, den 1. November 1772, gez.: Thiese.”

Im folgenden seien die Bauern und Kossätenhöfe aus dem 18. Jahrhundert aufgeführt:

1. Der Bauernhof “Berschig”, Besitzer im Mahre 1735 Mathes Schiefer.

2. Der Bauernhof “Bator”, Besitzer im Jahre 1735 Fork (?) Jaschob.

3. Der Bauernhof “Jahnke”, Besitzer im Jahre 1745 Christian Lüttke.

4. Der Bauernhof “Schiewern”, Besitzer im Jahre 1745 Martin Eick.

5. Der Bauernhof “Lüpken”, Besitzer im Jahre 1745 Michael Eick.

6. Der Bauernhof “Grocholl”, Besitzer im Jahre 1725 Michael Lüttke.

7. Der Bauernhof “Knjack”, Besitzer im Jahre 1745 Michael Pigorsch.

8. Der Kossätenhof “Rennje” (?), Besitzer im Jahre 1748 Michael Jaschob.

9. Der Kossätenhof “Lecken”, Besitzer im Jahre 1761 Martin Marschke.

10. Der Kossätenhof “Jaschob”, Besitzer im Jahre 1764 Michael Woggon.

Obwohl die Bauern Leibeigene waren und die meisten Arbeiten im Lehndienst ausführten, leisteten sie auch Arbeiten, die bezahlt wurden. Diese Arbeiten standen außerhalb des Lehnvertrages und bezogen sich auf Brückenbau, Lieferungen von Naturalien sowie Arbeiten in Stolpmünde. So wurde z.B. an die Ortschaft Vietkow am 6. Februar 1799 gezahlt:

Meilengelder für die Besichtigungsreise Sr. Kgl. Majestät in anno 1798 in Höhe von ein Thaler, 8 Silbergroschen. Für nach Bütow gelieferte Fourage, 10 Thaler. Am 29. Juni 1799: Für Kienäpfel, die gesammelt und für Anlegung von Schonungen verwendet wurden, 12 Silbergroschen.

Die Bauern hatten die Höfe also nicht als Eigentum; deshalb waren sie auch nicht verpflichtet, Reparaturen und Neubauten selbst auszuführen. Ob sie nun Bauzuschüsse, oder den ganzen Bau ersetzt erhielten, läßt sich nicht genau feststellen. Es sind aber sehr viel Baugelder ausgezahlt worden, meist an die einzelnen Bauern und Kossäten. Da erhielt der Kossät Jakob Warnoch zum Bau eines neuen Hauses 9 Thaler 18 Silbergroschen am 20. Juni 1799 ausgezahlt. Dieselbe Summe für denselben Zweck erhielt er wieder am 20. Februar 1800, dazu noch zur Reparatur der Scheune 4 Thaler 1 Silbergroschen. Im Jahre 1801 erhielt der Schulze Martin Schiefer zum Bau einer Dachleiter 6 Silbergroschen, der Bauer “Bator” zur Reparatur des Brunnens einen Thaler, ebenso der Bauer Martin Schiefer. Am 18. November 1801 erhält die Gemeinde für Fuhren bei dem Bau des Amtshauses und der Reparatur der Land...(?)wohnung 31 Thaler, 18 Silbergroschen und 7 Pfg. Aus den Jahren 1798 bis 1836 (?) lassen sich Kontributions- und Kavalleriegelder feststellen. Diese Gelder betrugen von 1798 bis 1808 monatlich 9 (?) Thaler, 19 Silbergroschen, 2 Pfg. Später, bis 1836 (?) 6 Thaler, 14 Silbergroschen, 2 Pfg. Im Jahre 1836 hörten diese Zahlungen auf.

Um diese Zeit gingen die Bauernhöfe in den Besitz der Bewohner über. Diese Teilung ist im Gemeinderezeß aufgezeichnet. Im Rezeß heißt es:

Rezeß über die Gemeinheitsteilungssache der Gemeinde Vietkow. Ueber die Aufhebung der bisherigen Gemeinheit in dem zum ehemaligen Königl. Domänen-jetzigen Rentamte Schmolsin gehörigen Dorfe Vietkow und der damit verbundenen Ablösung der dem Gute Neugutzmerow zustehenden .....(?)zugehörigkeit auf der Feldmark Vietkow, ist zwischen den betreffenden Interessenten als 1. dem Königl. Domänen-Rentbeamten Herrn von Biatke, 2. der bäuerlichen Gemeinde zu Vietkow folgender Rezeß abgeschlossen worden (den wir der Länge wegen nicht wörtlich bringen). Die Namen der damals Beteiligten sind die Bauern: Mathias Schiewer, Michael Eick, Christian Pollex, Christian Martelock, Johann Schiewer, Mathias Lüttkesche Erben und Johann Pigorsch; die Kossäten Michael Eick, Johann Woggon. Die Besitzer der sogenannten “wüsten Bauernhufe” waren die Büdner Christian Schwarz, Johann Friedrich Reimann, Mathias Eick, Johann Eick, Gottlieb Schiewer, George Eick, Christian Pigorsch I, Christian Pigorsch II, Christian Pollex.

“Die Pfarre in Schmolsin erhält von den ....(?) neben der Schule 2 Morgen, 167 Ruthen Acker...” § 25: “Das Schulamt erhält 1. die zur neuen Schule gelegte Baustelle und Garten in Größe von 1 Morten, 105 Tuthen, 2. Ackerland von den ...(?) in Größe von 3 Morgen 155 Ruthen, 3. an der Virchenziner Grenze 8 Morgen 64 Ruthen Wiese und 4 Ruthen Unland.”

§ 26: “Das Schulzenamt erhält an der Virchenziner Grenze an Ackerland 5 Morten, 10 Ruthen, außerdem an Wiesen 1 Morgen 129 Ruthen”.

§ 29: “Zur gemeinschaftlichen Nutzung sind verblieben: a) der Begräbnisplatz mit 61 Ruthen, b) an Gärten 20 Ruthen, c) zur Lehmgrube 45 Ruthen, d) zur Sandgrube 1 Morgen 22 Ruthen, e) Hütung incl. des Fuchsberges 52 Morgen 61 Ruthen. Hinzu kommen noch in diesen Flächen befindliche Wege und Triften mit 6 Morgen 17 Ruthen, sowie das Schmiede...(?)haus mit 3 Ruthen.”

An der Virchenziner Grenze ist ein gemeinschaftliches Tormoor in der Größe von 5 Morgen 50 Ruthen. Jeder Bauer erhielt davon jährlich sechs Ruthen, jeder Kossät drei Ruthen und jeder Büdner eine halbe Ruthe. Da das Moor nicht allzu tief war, durften nur 4 bis 5 Torf gestochen werden. Die Verteilung der zu stehenden Flächen ging folgendermaßen vor sich: Dorfschulze und Gerichts...(?) mußten die einzelnen Flächen abmessen, wonach dann diese Flächen an die Beteiligten verlost wurden. Sehr oft kam es hierbei zu Streitigkeiten.

Unter § 57 im Rezeß heißt es: “Der jedesmalige Schullehrer erhält aus den gemeinschaftlich verbliebenden Torfmooren alljährlich eine Quantität von 18.000 Soden, welche die Büdner ausstechen und trocknen, die bäuerlichen Wirte aber anfahren müssen und haben hierbei die drei Kossäten gegen einen Bauern zu leisten.”

In Vietkow ar kurz vor Einleitung der Separation 1836 noch keine eigene Schule, es befand sich vielmehr auf der Grenze Vietkow-Virchenzin-Zietzen eine gemeinschaftliche Schule für die drei Ortschaften. Um diese Zeit wurde die Einrichtung einer Schule für jedes Dorf beschlossen. Das gemeinschaftliche Schulhaus wurde verkauft und der Erlös hierfür an die drei Ortschaften verteilt. Die sieben Bauern und drei Kossäten erwarben das Schulhaus und legten zu der Schule auf ihre Kosten die Weide noch für eine Kuh.

Im Jahre 1881 wurde die Vietkower Schule durch ein Feuer vernichtet. Sie stand 500 Meter nordwestlich der jetzigen Schule. Aus Funden ist festgestellt worden, daß sich auf der Stelle, wo sich heute die Schenke des Gastwirts Pigorsch befindet, eine Mühle gestanden haben muß. Es kann sich hier nur um eine Wassermühle handeln, da die Fundstelle unmittelbar an dem sogenannten “Sedelbach” liegt. Aus den Urkunden und Akten ist hierüber jedoch nichts festzustellen, ebensowenig ist aus den Urkunden zu ersehen, ob, wie die Sage berichtet, an dem Landwege Vietkow-Wendischsilkow eine Kapelle gestanden hat.

Die früheren Lehrer von Vietkow waren auch Handwerker. Sie waren eigentlich nur im Nebenberuf Lehrer. Damals verdienten sie als Lehrer nur sehr wenig. In der Hauptsache kam es darauf an, die Kinder im Lesen und Schreiben etwas zu unterrichten. Als einer der Lehrer, der den Wert der Leibesübungen erkannt hatte, anfing, mit den Schulkindern zu turnen, meinten die Bauern, er wäre verrückt; oder aber, er triebe mit den Kindern Teufelsspiele. Deshalb beschwerten sie sich über diesen “Hexenmeister”. Zu dieser Zeit muß es wohl auch gewesen sein, als die Gemeindevertreter einmal über die Anschaffung einer Karte von Europa berieten. Nach längerem Hin und Her erhob sich einer und sagte: “Jaa, ick weit joa nich, oaber ick glööv doch, dat is Unsinn! Wie sind an all so ullt worde, u sind in unserm Lääven nich noa Europa hinnkoame! O deswegen mein ick, dat us Kinder doar uck nich weit hinnkoame. Ick glööv, u deswegen mein ick uck, wie woll uns lehver fäär dat Jilld wat andersch in uns Gemeind anschaffe. Fo dei Koart hääv wie noch keie Jilld nich!”

Am 5. Mai 1910 brachen die Röteln in unserer Ortschaft aus. Es blieben täglich 20 bis 30 Kinder dem Unterricht fern. Im Jahre 1912 wurde die Chaussee Altgutzmerow - Schmolsin gebaut. Die Arbeiten gingen damals langsam vor sich, da es an Arbeitern mangelte. In dieser Zeit wurde auch die Normalspurbahn von Schmolsin nach Dominke gebaut.

Am 1. Dezember 1912 wurde in unserem Ort ein Erdbeben verspürt. Die Schulchronik schreibt darüber: “Am 1. Dezember wurde in unserer Gegend ein Erdbeben verspürt. Es war am Sonntag morgen, da saß ich auf der Ofenbank. Mit einmal war es so, als wenn sich der Ofen anhob und sich auf mich werfen wollte. Gleichzeitig vernahm ich ein dumpfes Rollen. Obwohl es mir sehr eigenartig vorkam, dachte ich doch nicht im geringsten an eine Erderschütterung, sondern nahm an, das Dienstmädchen hätte es in der Küche verursacht. Diese Erderschütterung ist in allen umliegenden Ortschaften verspürt worden. Wir wollen wünschen, daß es die erste und die letzte ist.” Der Schreiber der Chronik war der damalige Lehrer Gabriel.

Am 15. Juni 1914 war es für unser Dorf ein Ereignis, als der Kronprinz auf der Durchreise von Zoppot nach Schmolsin unsere Ortschaft passierte.

Interessant ist noch, zu lesen, was die Chronik über den 1. August 1914 schreibt: “Man hat uns das Schwert in die Hand gedrückt und will unser liebes Deutschland von allen Seiten bestürmen. Das hat jeder sofort erkannt und deshalb ging auch ein Sturm der Begeisterung durchs ganze Land bis ins kleinste Dorf hinein. Auch in unserem Dorfe rückten gleich 52 Mann aus. Die Mobilmachungsorder wurde an beiden Gasthäusern und an Gustav Schiewer sein Tor angeschlagen. Alle strömten zusammen und lasen. Kriegslustige Gesänge durchschallten den Ort. Frauen und Mädchen weinten. Von Verwandten wurde schnell Abschied genommen. An Schlafen war nicht mehr zu denken. Noch mußte dem Nachbar die Sorge ums Haus und Hof anvertraut werden. Dann ging es los - mitten in der Nacht - zum Bezirkskommando nach Stolp. Franz Hasse fuhr mit einem Leiterwagen und nahm außer Reservisten auch gleich zwei Kriegsfreiwillige mit. Nämlich seinen Sohn Richard Hasse und Paul Reetz, bei 18 Jahre alt.”

Für die Zurückgebliebenen galt es nun, mit erhöhter Kraft zu arbeiten. Der größte Teil der Roggenernte war beendet, aber auch der Rest durft nicht verderben. So mußten sich nun die Nachbarn einander aushelfen. Auch die Schulkinder wurden zur Arbeit beurlaubt. Später wurden dann russische Kriegsgefangene zur Arbeitsleistung herangezogen. Besonders wurden die Höfe bedacht, deren Besitzer im Felde standen. Mit den Arbeitsleistungen der Russen war man im allgemeinen zufrieden.

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Der Friedhof in Vietkow ist restlos zerstört. Es existiert jedoch noch eine Fotografie des ehemaligen Kriegerdenkmals.
 
 
 
Die Namen konnten entziffert werden, Geburts- und Sterbedaten werden hoffentlich noch entziffert. Die Inschrift lautete wie folgt:
 
                1914-1918
            Für unser Vaterland starben aus Vietkow
             
            Leutn.[?] Willy Eick, Frankreich
            Oberjäg. Gustav Eick, Italien
            Sgt. Otto Reetz, Frankreich
            Ldst. Max Pollex, Stettin
            Uffz. Paul Heratsch, Frankreich
            Ldst. Herm. Schiewer, Russl.
            Obermaat Paul Hasse, [?]
            Gfr. Franz Marzenke, Frankr.
            Sgt. Bernh. Pigorsch, Frankr.
            Matr. Leo Prien, Gneisenau
            Musk. Herm. Prien, Russland
            Land[?]) Otto Czirr, Russland
            Gfr. Werner Czirr, Spandau
            Gren. Walt. Pigorsch, Frankr.
            Ldst. Fritz Jost, Frankr.
            Ldst. August Klick, Vietkow
            Gfr. Alb. Martellock, Russl.
            Uffz. Erwin Schaar, Frankr.
            Musk. Gerhard Schaar, Russl.
            Jäg. Otto Kropp, Insterburg
            Musk. [?] Eick, [?]
            Musk. August Pigorsch, Russland
             
            Ehre Eurem Andenken
 

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